Erfahrungen in Münsing

Inklusion - ein Menschenrecht

 

Seit September 2011 gehört die Grundschule Münsing zu den mittlerweile 85 Schulen in Bayern mit dem Schulprofil Inklusion.

22 Kinder mit Förderbedarf besuchen unsere 1. – 4. Klassen. In der Bevölkerung herrscht bisweilen nach wie vor die Meinung, Förderbedarf bezieht sich hauptsächlich auf Kinder, die im Rollstuhl sitzen. Doch Inklusion betrifft auch Schüler, die Schwierigkeiten in der auditiven oder visuellen Wahrnehmung, der Konzentration, der sprachlichen, der kognitiven oder der sozial-emotionalen Entwicklung sowie der körperlich-motorischen und der geistigen Entwicklung haben. Eltern haben seit 2011 das Recht, diese Kinder an der Regelschule einzuschulen, und werden von der Grund- und der Förderschule hierbei eingehend beraten.
Die Grundschulen mit dem Schulprofil Inklusion gelten als „gastschulfähig“, das bedeutet, dass sie auch Kinder aus anderen Gemeinden aufnehmen, und hierfür mit zusätzlichen Stunden ausgestattet werden. Ziel ist es aber, dass nach und nach jede Grundschule die in ihrem Sprengel ansässigen Schüler mit Förderbedarf vor Ort einschult, damit die Kinder nicht aus ihrem Umfeld herausgerissen werden.
Von den Vorteilen des inklusiven Unterrichts profitieren Schüler mit und ohne Förderbedarf. Vor allem die sozialen Kompetenzen der Kinder werden erheblich gesteigert. Auch entdecken alle Schüler u.a. die Möglichkeiten des Mit- und Voneinander-Lernens.
Während die Kinder kaum Probleme haben, sich gegenseitig anzunehmen und anzuerkennen, stößt man bei einigen Erwachsenen nach wie vor immer noch auf Vorurteile. So hört man Bemerkungen wie: „Die Förderkinder behindern die guten Schüler beim Lernen“ oder „sie erschweren für die anderen den Übertritt aufs Gymnasium.“ Auch unsere Grundschule wurde zu Beginn mit solchen Aussagen konfrontiert. Seitdem wir „Inklusionsschule“ sind haben wir bereits zum 3. Mal Schüler nach der 4. Klasse verabschiedet und konnten feststellen, dass sich Inklusion in keinster Weise negativ auf die Übertrittsquote an weiterführende Schulen ausgewirkt hat. Stattdessen verfügen unsere Schüler über ein erstaunlich hohes Maß an Hilfsbereitschaft,  Empathiefähigkeit und Toleranz.
 
Benachteiligung ist immer noch in vielen Kulturen eingebettet, sie beeinflusst die Art und Weise, wie Menschen wahrgenommen werden und wie auf sie reagiert wird. Sie hat eine Wurzel in der Intoleranz aber auch Unwissenheit gegenüber dem Anderssein. Diese Einstellungen zu verändern, ist ein langwieriger Prozess, der sich sicherlich über Jahre wenn nicht Jahrzehnte erstrecken wird. Er darf sich nicht nur auf Schulen und Kindergärten beschränken, sondern muss sich umfassend auf alle Lebensbereiche beziehen.
Schulen, die inklusiv arbeiten, haben begonnen, eigene Haltungen und Meinungen zu überdenken und neue Konzepte zu entwickeln. Es genügt aber nicht, wenn eine Schule z.B. ihre Unterrichtsformen verändert oder öffentliche Gebäude behindertenfreundlich gestaltet werden, sondern das Umdenken muss vor allem im „Kopf“ stattfinden und zwar bei allen Bürgern und nicht nur bei den Betroffenen. Dies ist nur durch beständige und umfassende Aufklärungsarbeit zu erreichen. Das von Eltern gegründete „Forum Inklusion“ wird in Zusammenarbeit versucht seit Jahren durch Veranstaltungen Einblick in die Wichtigkeit einer inklusiven Kultur zu geben.
Die Bemühungen sollen darauf gerichtet sein, eine Gemeinschaft zu schaffen, in der jeder geschätzt und respektiert wird – als Grundlage für die bestmöglichen Leistungen aller.
Inklusion ist eine Aufgabe der Gesellschaft, nicht nur der Schule.

Inklusion ist kein Gnadenakt,
der großzügig gewährt werden könnte.
Sie ist eine humane und demokratische Verpflichtung,
die uns alle angeht.
                                        
Prof. Dr. Hans Wocken